Das Heilige Land aus der Luft
Atlas der historischen Stätten

Das Buch zeigt und beschreibt die wohl bekanntesten und interessantesten Stätten des Heiligen Landes. Mit der Bezeichnung 'Heiliges Land' umschifft der Autor oder auch Verlag ' sicher berechtigt, aber auch gekonnt ' die Verwendung der problematischen Begriffe 'Israel' oder 'Palästina'. Das Buch gliedert die Region in drei geographische Zonen: Das Jordangebiet mit einem Exkurs über Klöster, das Westjordanmassiv (hierzu zählt merkwürdigerweise auch Beerscheba) mit einem Exkurs über Synagogen und die Küstenebene mit einem Exkurs über Kreuzzüge.
Die Abbildungen, vor allem die Fotografien, aber auch die Karten und Rekonstruktionszeichnungen, sind zumeist von ausgesprochen hoher Qualität, freilich gelegentlich auch sehr klein. Im Gegensatz zum Buchtitel sind auch keineswegs alle Fotografien Luftaufnahmen, wohl aber der überwiegende Teil. Ansonsten ist die Aufmachung sehr ansprechend. Jede Abbildung wird kurz kommentiert, Karten und Kartenausschnitte zeigen die Lage des jeweils dargestellten Ortes an, farblich hervorgehobene Kästen im Fließtext bieten Quellentexte, z.B. aus der Bibel oder aus Josephus Flavius. Dazwischen finden sich umfangreiche Texte, die Lokalitäten aber auch besondere Vorkommnisse an diesen beschreiben. Die geschichtlichen Abrisse sind informativ und zumeist differenziert dargestellt ' wie z.B. die Hintergründe und Motive der Kreuzzüge.
Dieser gute Gesamteindruck wird jedoch durch eine ganze Reihe von Mängeln getrübt. Zwar ist dem Rez. nur an einer Stelle eine fehlerhafte oder zumindest unklare Zusammenstellung von Bild und Text aufgefallen (S. 237), doch weisen die Texte ansonsten häufig sprachliche wie auch inhaltliche Mängel auf.
An manchen Stellen sind die sprachlichen Unzulänglichkeiten möglicherweise ein Ergebnis der Übersetzung, etwa wenn der ungewöhnliche Begriff 'Kriegsfeinde' statt 'Kriegsgegner' verwendet wird (S. 8). Was hat man sich unter 'Wortgläubigen' und 'Zweiflern' vorzustellen (S. 10)? Bei der Beschreibung des Herodion scheint man sich nicht über das Genus im Klaren zu sein, und häufig wird der Ort gänzlich ohne Artikel genannt. So baute Herodes nicht 'in Herodion', sondern er baute das Herodion (S. 175), in dem es im Übrigen auch keine 'Oberstadt' gibt, sondern bestenfalls eine obere und untere Palastanlage. Entgegen den Aussagen des Textes dürfte das Grab des Herodes inzwischen gefunden sein, und zwar schon in 2007. Der Plural von Pharao sind die Pharaonen und nicht die Pharaos (S. 162) und auch der Begriff 'Gründungsgeist' (S. 224) ist nicht gerade gängig.
- S. 58: Der Kalif 'Muawijja war Muslim, denn 636 hatte in der Nähe von Hammat Gader jene große Entscheidungsschlacht stattgefunden, die die Byzantiner aus Syrien vertrieb.' Zum einen ist jeder Kalif Muslim, zum anderen stellt sich die Frage, wieso die Religionszugehörigkeit oder Amtsbezeichnung eine Begründung für die Schlacht sein kann.
- S. 91: Das Salzmeer oder auch Tote Meer ist nicht das Meer von Arabah, sondern das Meer der Arabah, der Jordansenke eben!
- 'Am Rand des Toten Meers liegen Qumran, Masada und zwei Oasen mit eigenen Quellen und Flüssen, Ein Gedi und Ein Boqeq. In der Nähe standen die Städte Sodom und Gomorrha, die zerstört wurden...doch hat sich von ihnen nichts erhalten, sodass ihre Lage unbekannt ist.' Das erinnert doch sehr an den alten Pennälerspruch: Ob Homer gelebt hat, wissen wir nicht; dass er blind war, ist bekannt.
- S. 161: '2006 wurde Bethlehem von Jerusalem durch eine über 600 km lange Mauer abgetrennt, die Israel vor terroristischen Angriffen schützen soll.' Diese Mauer trennt nicht Bethlehem von Jerusalem. Dazu bedarf es keiner Mauer von 600 km. Vielmehr handelt es sich bei dieser 600 km langen 'Mauer' um eine Grenzbefestigung, die die ehemalige Westbank von Israel abtrennt. Ein großer Teil dieser Anlage besteht auch nicht aus einer Mauer, sondern aus einem Zaun. Es soll allerdings auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Anlage nicht dem Verlauf der ursprünglichen 'grünen Grenze' von 1949 folgt, sondern Teile der ehemaligen Westbank heraustrennt und somit quasi annektiert.
- S. 164: Selbstverständlich findet die Volkszählung bei Lukas nicht erst 10 Jahre nach der Geburt Jesu statt. Vielmehr ist die Volkszählung des im Lk-Ev genannten Statthalters Quirinius erst im Jahre 6 n. Chr. historisch nachweisbar, und damit ca. 10 Jahre nach der auf ca. 4 v.Chr. zu datierenden Geburt Jesu.
- S. 220: 'Für Fulcher von Chartres wollte der Papst vor allem den schlechten Zustand der Kirche zu jener Zeit darlegen und einen Feldzug ins Heilige Land beginnen, um 'den Glauben der Christenheit' zu reformieren, der 'von allen, vom Klerus wie von den Laien, herabgewürdigt wird, indem sie den Frieden völlig missachten'.' Es ist unverständlich, wie man daraus im unmittelbar folgenden Satz zusammenfassend feststellen kann: 'Es gab also, kurz gesagt, eine Art brutaler Piraterie zu Lande.'
Auch eine ganze Reihe von sachlichen Fehlern oder doch problematischen Aussagen schmälern den guten Eindruck des Buches. Auch hier sei eine (keineswegs erschöpfende) Anzahl aufgelistet:
- Es geht nicht an, die Eroberungsmeldungen im Buche Josua als historische Berichte zu verwerten, wie dies hier immer wieder geschieht. Die Bibel selbst korrigiert diese Aussagen immer wieder, etwa wenn einerseits vom Sieg über den König von Jerusalem und die Verteilung von dessen Land die Rede ist (Jos 12,7 vgl. Ri 1,8 ' dagegen aber Jos 15,63), dann aber festgestellt wird, dass Jerusalem erst unter David erobert wird. Die kanaanäische Bevölkerung wird auch nicht vertrieben oder dezimiert sondern stellt im weiteren Verlauf der Geschichte vielmehr eine ständige Gefahr für Synkretismus dar (vgl. auch Dtn 24 vgl. Dtn 23). Davor warnt die Schrift ' was sie nicht tun müsste, wenn es diese Bevölkerung nicht mehr gäbe! (S. 8) Teile des Buches Josua sind ebenso eine (theologische) Propagandaschrift, wie es etwa die Mescha-Stele ist. Im Übrigen stellt sich in diesem Buch mehrfach die Frage nach der Auswertung der Textbelege der Schrift hinsichtlich historischer Ereignisse. Die Schrift ist kein Bericht und kein historisches Dokument, sondern heilsgeschichtliche Erzählung. Inwiefern man den Tanach mit 'neueren Fernsehdokumentationen' vergleichen kann (S. 11), sei einmal dahingestellt.
- S. 10 heißt es: 'Die frühesten Aufzeichnungen des jüdischen Volkes sind in der jüdischen Bibel zusammengestellt. Sie besteht aus drei Teilen: der Thora (den fünf Büchern Mose von 'Genesis' bis 'Deuteronomium', dazu die 'Gesetze', die ebenfalls Thora genannt werden), den Neb'im... und den Khetubim...' Zum einen enthält die jüdische Bibel auch sehr späte Aufzeichnungen, z. B. aus dem 2. Jh. v.Chr., zum anderen sind die Gesetze kein additiver Teil der Thora, sondern Bestandteil derselben. Zudem ist der Tenach oder Tanach, die jüdische Bibel, keineswegs einfach mit dem Alten Testament der Christen identisch.
- Es ist erstaunlich, woher der Verfasser die Kenntnis nimmt, König Josia habe das Heer des Pharao Necho im Jahre 609 in der Schlacht (?) bei Megiddo entscheidend geschwächt (S. 16, 235). An keiner der dem Rez. bekannten Stellen, die von diesem Ereignis berichten (2 Kön 23,29; 2Chr 35,20-25; 3Esra 1,23-31) ist davon auch nur andeutungsweise die Rede. Außerbiblische Quellen existieren nach Kenntnisstand des Rez. nicht!
- Herodes baute Masada nicht aus, weil es abgelegen ist, sondern weil es im Winter klimatisch günstig gelegen ist, v.a. aber eine Bastion im Süden gegen die Begehrlichkeiten von Kleopatra darstellt! (97f.)
- Qumran liegt nicht am Wadi Qilt (S. 100), das östlich von Jerusalem hinunter nach Jericho verläuft und auf S. 75ff sehr schön vorgestellt wird, sondern am Wadi Qumran.
- Seit dem Werk von Karl Ludwig Schmidt: Der Rahmen der Geschichte Jesu (1919) bedarf es durchaus einer Erklärung, wenn versucht wird, aus den geographischen Angaben der Evangelien eine Reiseroute Jesu zu rekonstruieren. Auch der Ort der Verklärung (so S. 113) ist nicht lokalisierbar. Bei der Verklärungsgeschichte handelt es sich um eine nachösterliche Auferstehungsvision, die auf einem Berg lokalisiert wird, weil ein Berg ' ähnlich wie die Wüste ' als Ort der Gotteserfahrung gilt.
- Weshalb wird gerade Sephoris als Arbeitsplatz des Josef vermutet (S  117) ' warum nicht auch Bet Shean, Kapharnaum u.a.?
- Maria fiel nicht in Schlaf, sondern starb dort (S. 144).
- S. 214: Wenn die via maris (kleine Karte) über Geser und Megiddo führt, wie kann dann Apollonia gleichzeitig an der via Maris und am Meer liegen? Hier sollte man einen anderen Rekonstruktionsversuch des Straßenverlaufs abbilden, der bis Dor an der Küste entlangführt.
- S. 216: In B Gittin 56b heißt es, Rabi Jochanan ben Zakkai habe gesagt: Gib mir Jabneh und seine Weisen (chakamijah). Das hier im Text angegebene Wort Hachamim hat jedenfalls nicht die Bedeutung 'Weise' sondern 'Warme'.
- S. 229: Der Prokurator verfügte nicht über eine Legion und in Judäa waren auch keine Legionen stationiert. Vielmehr standen den Prokuratoren lediglich Hilfstruppen als Polizeikräfte zur Verfügung. Die Legionen befanden sich unter dem Kommando der Statthalter von Syrien, denen die Prokuratoren z. T. rechenschaftspflichtig waren.
So manchem Leser werden diese Mängel sicher nicht auffallen, aber dies dürfte doch sicher kein Kriterium sein, auch nicht in einem Werk, das vermutlich keinerlei wissenschaftlichen Ambitionen erhebt.
Abschließend wäre durchaus zu überlegen, ob man bei der Größenangabe des Heiligen Landes in einer deutschen Ausgabe - unter Verzicht auf die Vorlage - nicht auf Hessen verweist könnte anstatt auf Massachusetts, New Hampshire oder Wales.
Vielleicht lassen sich diese Mängel bei einer neuen Auflage, die grundsätzlich zu wünschen wäre, abstellen.