Helden, Freaks und Superrabbis
Die jüdische Farbe des Comics

Schon seit längerem haben Comics hierzulande Hochkonjunktur. Zahlreiche anspruchsvolle Graphic Novels erscheinen, aufwändige und liebevoll gestaltete Reprints alter Ausgaben erfreuen das Herz des Comicfreunds und auch die in die Jahre gekommenen Superhelden sind omnipräsent, nicht zuletzt durch die zahlreichen und zum Teil äußerst gelungenen Verfilmungen.
Bis vor kurzem aber wird wohl nur einem kleinen Expertenkreis bekannt gewesen sein, dass zahlreiche Comicautoren und -verleger Juden waren bzw. sind oder jüdische Wurzeln haben. Sicher, bei dem Altmeister Will Eisner war dies kein Geheimnis, erzählte er doch seit den 70er Jahren bereits Geschichten aus dem jüdischen Milieu New Yorks, auch bei Art Spiegelman, der mit 'Maus' Anfang der 90er Jahre den Comic in Deutschland 'salonfähig' gemacht hat, lag es auf der Hand. Dass aber viele der Superhelden, allen voran ihr Prototyp Superman, gewissermaßen jüdische Wurzeln haben, haben erst zwei Ausstellungen ins Bewusstsein gebracht.
Der vorliegende Band ist das Begleitbuch zu einer dieser beiden Ausstellungen, die das Pariser Musée d'art et d'histoire du Judaïsme und das Amsterdamer Joods Historisch Museum erstellt haben und die das Jüdische Museum in Berlin für das deutsche Publikum in Teilen neu konzipiert hat. Entstanden ist so nicht nur ein reichhaltig illustrierter Ausstellungskatalog, der manche Schätze der neunten Kunst in sich birgt, sondern vor allem ein fundierter Überblick über die Geschichte des Comics im 20. Jahrhundert aus einer ganz besonderen Perspektive.
Führende Experten der mehr und mehr etablierten Comicforschung führen den Leser ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam in die gesamte Breite der Thematik ein, wobei manches selbstreden nur angerissen werden kann. Dabei vermögen sie es, den Leser gleichermaßen fundiert zu informieren und ihn neugierig auf mehr zu machen. Diese Neugierde zu befriedigen helfen sie, indem die Beiträge auch auf die jeweils wesentlichen Werke der populären und wissenschaftlichen Comicforschung verweisen.
Die Themenpalette, die entfaltet wird, ist breit: Paul Buhle schreibt einen Überblick über 'Juden und Comics' und geht in einem weitgespannten Bogen der Frage nach, worin Gründe für die relativ starke jüdische Präsenz im Comicgenre und anderen Bereichen der Massenkultur zu finden sind. Eine wesentliche Wurzel sieht er im Jiddischen, in der Jiddischkeit der osteuropäischen Shtetl, aus der heraus sich auch populäre, sozial engagierte, bisweilen melancholische Kunst entwickelte, gepaart mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Nicht zuletzt die Halbaußenseiterposition jüdischer Migranten in Amerika trug ihren Teil dazu bei. Viel Neues bieten die Beiträge von Alexander Braun über die 50er Jahre in Amerika 'zwischen Zensur und Satire', von Andreas Platthaus über die Entwicklung und Themen der Underground-Comics, aus der u.a. Art Spiegelman und Robert Crumb hervorgegangen sind, sowie Trina Robbins', selbst Comic-Künstlerin, Bericht über 'Comix von jüdischen Frauen' und schließlich Galit Gaons 'kurze Geschichte der Comics in Israel', der die vitale und vielfältige Comicszene Israels auf knappem Raum vorstellt.
Der Band sei jedem empfohlen, ob Comicfan oder distanzierter und skeptischer Beobachter, zeigt er doch die ganze Bandbreite und Tiefe des Genres überaus informativ und zugleich unterhaltsam auf. Dieses Buch ist auch unabhängig von der Ausstellung mit Gewinn zu lesen.