Tatort Eulau
Ein 4500 Jahre altes Verbrechen wird aufgeklärt

Nachdem der sachsen-anhaltische Landesarchäologe Harald Meller schon 2002 mit Hilfe der Polizei die Himmelsscheibe von Nebra vor dem Weiterverkauf durch Hehler in der Schweiz sichern konnte, wird mit 'Tatort Eulau' erneut ein archäologischer Fund zu einem medienwirksamen Krimi umgeschrieben.
Das Buch, in Kooperation mit den ZDF (K. Heckenhahn) und dem Kurator des Landesmuseums für Vor-und Frühgeschichte (A. Muhl) entstanden, versucht den vermutlich gewaltsamen und gleichzeitigen Tod von 13 Personen aus der Jungsteinzeit aufzuklären. Mit Hilfe verschiedener Erzählstile wird der Leser zu des Rätsels Lösung geführt. Jedem Kapitel ist eine fiktive Story vorangestellt, die das Geschehen aus Täter- und Opfersicht beleuchtet. Weiterhin gibt es den reinen Fließtext, zusätzliche Exkurse und Interviews, die sich farblich oder durch die Gliederung des Textes voneinander absetzen. Die rund 100 qualitätvollen Abbildungen im Hauptteil des Buches unterstreichen den Unterhaltungscharakter.
Nach der Einleitung werden im ersten Kapitel die Befunde vorgestellt. Welche Personen wurden miteinander bestattet, wie sahen ihre Gräber aus, welche Aussagen können anhand der Skelette und zusätzlicher Funde getroffen werden und wie datieren sie. Bei der Beschreibung der Bestattungen wird wiederholt auf die innige Nähe der Toten zueinander verwiesen, sogar von verwandtschaftlichen Verhältnissen gesprochen. Den Forschungsergebnissen zufolge, kann eine solche Beziehung aber nur in einem Fall belegt werden. Dieses Ergebnis stellt die eigentliche Sensation in Eulau dar, da hier die älteste nachgewiesene Kernfamilie bestehend aus Vater, Mutter und zwei Söhnen vorliegt. Die postulierte These, dass alle Toten zeitgleich starben und beigesetzt wurden, muss bei einem Vergleich der mitgelieferten Radiokarbondatierungen kritisch hinterfragt werden. Nur die Toten von drei der vier Gräber decken einen gemeinsamen Zeitraum von ca. 40 Jahren ab. Ein Fakt der auch anderen Rezensenten aufgefallen ist.
Positiv zu bewerten ist zum einen die Vorstellung naturwissenschaftlicher Methoden, die in heutiger Zeit einen wesentlichen Bestandteil in der Auswertung archäologischer Funde einnehmen. So werden neben der Anthropologie, die Radiokarbondatierung und die Strontium-Isotopenanalyse erläutert. So kann z. B. bewiesen werden, dass die Frauen im Gegensatz zu den Männern nicht in Eulau aufgewachsen sein können. Die Darstellung der Methoden erfolgt durch Interviews mit den jeweiligen Experten. Eine stilistische Form, die in diesem Zusammenhang vielleicht an eine polizeiliche Befragungen erinnern soll, aber etwas aufgesetzt wirkt. Hilfreich sind auch die Exkurse zu den damals parallel existierenden Gruppen der Schnurkeramiker Kultur, Glockenbecher Kultur und Schönfelder Kultur. Die Opfer, belegbar ist der gewaltsame Tod von zwei Frauen und einem Kind sowie frische Abwehrverletzungen zweier Männer, stammen aus dem Umfeld der Schnurkeramiker. Die Täter werden ' nachdem auch der Tatort und die Hinterbliebenen in erzwungen wirkenden Kapiteln bedacht wurden ' im Kreis der benachbarten Glockenbecher und Schönfelder Gruppe gesucht. Ein mögliches Motiv mit aktuellem Bezug wird mit Unterstützung eines BKA-Profilers schließlich gefunden: Ehrenmord! Die Frauen, welche sich ohne Einwilligung ihres Stammes mit den benachbarten Schnurkeramikern verbündeten und Familien gegründeten, wurden von ihren nächsten Verwandten getötet. Dass dies nur eine Interpretationsmöglichkeit von vielen darstellt, rückt bei der Motivsuche leider zu stark in den Hintergrund.
Abschließend liefert K. Heckenhahn einen kurzen Ausflug in die Welt des Fernsehens. Er zeigt die Ansprüche und den Aufwand, die das ZDF für eine Sendung wie Terra X betreibt, zusammenfassend auf.
Generell muss man sagen, dass durch Funde wie Eulau das Interesse an der Archäologie Deutschlands in weiten Bevölkerungskreisen wieder zunimmt. Das Buch bietet einem an Archäologie interessiertem Publikum einen guten Einstieg in die Zeit des Neolithikums und unterlegt es mit einer Vielzahl an Abbildungen in Form von Fotos, Zeichnungen, Tabellen und Karten. Leider scheint man im Zeitalter moderner Medien aber nur noch durch die Inszenierung von Mord und Totschlag Aufmerksamkeit erwecken zu können. Einem archäologischen Fachpublikum bietet das durchaus ansprechend gestaltete Buch einen kurzen Einblick die Auswertung rund um einen Teil der Gräber von Eulau, wirft jedoch zwangsläufig einige Fragen auf.