Variatio delectat
Empirische Evidenzen und theoretische Passungen sprachlicher Variation

Die Festschrift zum 65. Geburtstag von Klaus J. Mattheier, hervorgegangen aus den entsprechenden Tagungsbeiträgen zu einer Tagung anlässlich seines Geburtstages im Jahre 2006, bietet sowohl dem vorinformierten wie dem weniger einschlägig kundigen Leser einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand in der Variationslinguistik, insbesondere im Bereich der der Terminologie- und Methodendiskussion. Damit erfüllt er den eigenen Anspruch der Herausgeber, eine 'Bestandsaufnahme der aktuellen Diskussionen um das Phänomen Sprachvariation' (S. 4) zu sein, auf ansprechende Art und Weise. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit zentralen Termini der Disziplin (und mit ihrem Verhältnis zueinander; bspw. 'Varietät' , 'Norm' , '(sozialer) Stil' , 'kommunikative Praktik' ...) sowie mit Formen der Erhebung, Beschreibung und Wahrnehmung/Bewertung von Variation knüpft der Band 'Variatio delectat' an vielen Stellen implizit wie explizit an den fünf Jahre zuvor in derselben Reihe erschienen Band 'Varietäten ' Theorie und Empirie' von Alexandra Lenz und Klaus Mattheier an und kann als dessen Fortsetzung gelten. Diese Fortsetzung der Terminologie-Diskussion zeugt dabei von einem offensichtlich noch immer bestehenden Bedarf der terminologischen Selbstvergewisserung in der Variationslinguistik, der sicherlich auch der (vermutlich noch weiter zunehmenden) Anzahl an (z. T. konkurrierenden) theoretischen wie methodischen Forschungsansätzen (Systemtheorie, (kognitive, interaktionale, ...) Soziolinguistik, Optimalitätstheorie, ...) geschuldet ist.
Die teils deutsch-, teils englischsprachigen Beiträge durchweg namhafter Autoren wählen verschiedenste Zugangsweisen, Perspektiven und thematische Schwerpunkte; so finden sich neben theoretisch ausgerichteten ebenso die Methodik diskutierende oder empirisch fundierte, eher exemplarische Aufsätze; neben Beiträgen mit gegenwartssprachlicher auch solche mit sprachhistorischer Akzentsetzung; trotz eines Schwerpunkts bei Variationsphänomenen im (z. T. Schweizer-)Deutschen werden auch weitere Sprach(gemeinschaft)en und Sprachkontakte (USA; Bahamas; Flandern; Brügge; Lemberg) in ihrer Variation in den Blick genommen. Während viele Beiträge dabei einen areallinguistischen Blickwinkel als Ausgangspunkt nehmen, finden sich auch ebenso solche, vor allem dort, wo der 'Stil' -Begriff im Fokus steht, die Sprachvariation in Abhängigkeit von anderen Variablen (etwa 'Alter' , 'Medium' , 'soziale Schicht' ) thematisieren.
Der Sammelband ist mehr als eine thematisch gut zusammengestellte Würdigung des Schaffens von Klaus J. Mattheier, er ist auch mehr als nur ein schöner, bunter und fundierter Überblick über ein sehr interessantes und vielfältiges, sich theoretisch und methodisch immer weiter ausdifferenzierendes, aber dennoch zusammengehöriges Forschungsgebiet, auf das weder die Begriffe 'Soziolinguistik' , 'Sozialstilistik' , 'Sozialpsychologie der Sprache' noch 'Varietätenlinguistik' derzeit noch angemessen und ausreichend angewandt werden können. 'Variatio delectat' kann ' gerade auch wegen seiner Beiträge zum terminologischen Grundlagenbereich und für Leser mit etwas thematischem Vorwissen ' durchaus als Einführung in die Variationslinguistik gelesen werden, denn der Sammelband bietet sich ' für eine Festschrift nicht unbedingt üblich ' auch für eine kontinuierliche, nicht nur für eine selektive Lektüre einzelner Beiträge an. Man spürt an zahlreichen Stellen, wie die Ergebnisse der langjährigen Diskussionen des von Klaus Mattheier geleiteten Heidelberger Graduiertenkollegs 'Dynamik von Substandardvarietäten' in den Band eingegangen sind und ihm zu einem geschlossenen Gesamtbild verhelfen.
Eine kleine negative Einschränkung bezieht sich lediglich auf den Bereich der Lektorierung, da hier neben verbliebenen Fehlern bisweilen auch das Nebeneinander von schweizer- und bundesdeutscher Orthographie irritiert ' aber vielleicht ist zumindest letzteres eine Variation, die eher erfreuen sollte.