Hitlers Pressechef. Otto Dietrich (1897-1952)
Eine Biographie

Wenn über die NS-Propaganda geredet und geschrieben wird, steht, nicht ganz ohne Grund, Joseph Goebbels im Vordergrund. In seinem Schatten aber verschwanden lange Zeit all die anderen großen und kleinen Trommler für den Nationalsozialismus. Otto Dietrich, seit Anfang der dreißiger Jahre Reichspressechef, war eine der bislang oft übersehenen zentralen Gestalten des Propagandaapparats. Stefan Krings gebührt das Verdienst, ihn nun nach allen Regeln der Kunst auf breitestmöglicher Quellengrundlage ausgeleuchtet zu haben.
Dietrich, seit den zwanziger Jahren Journalist, schloss sich 1929 der NSDAP an, in der er bald schon Kontakte in die obersten Führungszirkel hatte, denen er seinen raschen Aufstieg in der Partei verdankte. 1931 Reichspressechef geworden, sollte er das disparate NS-Pressewesen auf Vordermann bringen, da die Parteizeitungen der Entwicklung der Partei hinterherhinkten und in Teilen ein wenig professionelles Bild boten. Dies gelang vor der Machtübernahme nur sehr schleppend; letztlich kamen der erhebliche Ausbau, die einheitliche Ausrichtung und auch die Professionalisierung der NS-Presse erst 1933 in Gang. Haupthindernis war zuvor ein Mangel an erfahrenen Journalisten, dem erst die Anpassungsbereitschaft etlicher bürgerlich-konservativer Journalisten Abhilfe verschaffen konnte. Die Kehrseite der Uniformierung des deutschen Pressewesens nach 1933 war der Verlust an Attraktivität, so dass die Leserzahlen insgesamt stetig zurückgingen; auch der Beruf des Journalisten verlor an Anziehungskraft.
Dietrichs wahre Bedeutung lässt sich nur bedingt an seinen Ämtern ablesen, deren er nach der Machtübernahme einige bekam, 1938 zum Beispiel wurde er Staatssekretär im Reichspropagandaministerium seines Rivalen Goebbels, der ihn so unter Kontrolle bekommen wollte. Weitaus bedeutender war Dietrich aber, da er während des Krieges lange Zeit die Meinungsbildung Hitlers entscheidend beeinflussen konnte, war er es doch, der die Auswahl der Presse- und Agenturmeldungen vornahm, die Hitler zugetragen wurden. Nach dem Untergang des NS-Regimes war Dietrich inhaftiert und wurde schließlich im Wilhelmstraßenprozess zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, 1950 aber bereits wieder aus der Haft entlassen. Er kam in Düsseldorf bei der Deutschen Kraftverkehrsgesellschaft unter und starb 1952.
Den Karriereweg Dietrichs schildert Krings anschaulich auf breiter Quellenbasis. Nebenbei erfährt der Leser sehr viel über die Presse und Presselenkung in der NS-Diktatur, zahlreiche Kurzbiographien von Journalisten und Propagandisten machen das Buch zusätzlich zu einer Fundgrube. Letzteres ist umso wertvoller, da nach wie vor ein zuverlässiges biographisches Nachschlagewerk zum Journalismus und Pressewesen im Nationalsozialismus fehlt. Es ist zu hoffen, dass diese Forschungslücke bald geschlossen wird, zumal die gängigen biographischen Lexika zum Nationalsozialismus die zahlreichen Journalisten und Kriegsberichter weitgehend aussparen.