Ich bin der letzte Jude
Treblinka 1942/43

Mit dem Buch 'Ich bin der letzte Jude. Treblinka 1942/43. Aufzeichnungen für die Nachwelt' von Chil Rajchman, das aus dem Jiddischen übersetzt wurde und 2009 zeitgleich in elf Ländern erschienen ist, liegt ein bedeutsames, fast einzigartiges zeitgeschichtliches Dokument vor.
Viele Berichte von Holocaust-Überlebenden wurden erst nach Kriegsende verfasst, oft erst nach vielen Jahren. Dagegen gelang es Chil Rajchman, einem der wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Treblinka, die Gräueltaten der Nazis bereits während seiner Gefangenschaft im Lager sowie auf der Flucht, unmittelbar nach dem Aufstand der Häftlinge 1943, zu dokumentieren. Nun, nach über 65 Jahren, veröffentlichen Rajchmans Hinterbliebene den eindrucksvollen Text, der 'all jenen, denen es nicht vergönnt war zu erzählen', gewidmet ist und die Nachwelt mahnt, niemals zu vergessen, was man den Juden angetan hat.
In 19 Kapiteln wird dem Leser in einer klaren, nüchternen, 'schonungslosen und direkten' (Vorwort, S.15) Sprache beschrieben, wie der damals 28-jährige Chil Rajchman in das Vernichtungslager Treblinka eingeliefert wird, welche Arbeiten er in der 'Todesfabrik' verrichten muss, wie er sich maßgeblich an der Planung und Durchführung des Lageraufstands beteiligt und schließlich die Flucht in die umliegenden Wälder überlebt. Der Bericht ist durchgehend im Präsens verfasst, was beim Lesen ein Gefühl der Unmittelbarkeit hervorruft. Auch die präzisen Beschreibungen des Lagers führen dem Leser das wahnsinnige Ausmaß der Brutalität und des Mordens bildlich vor Augen. So heißt es zum Beispiel: 'Treblinka ist fachmännisch angelegt. Auf den ersten Blick könnte man glauben, es handelt sich um einen ganz gewöhnlichen Bahnhof. ' Der Zugang zu den Gaskammern beginnt bei den Baracken gegenüber vom Bahnsteig. Er wird Schlauch genannt. Er ist von Sträuchern gesäumt und sieht aus wie die Allee in einem öffentlichen Park. ' Niemand kommt von da zurück. Alle werden brutal geknüppelt und mit dem Bajonett traktiert.' (S.38f.)
Zahlreiche Fußnoten erläutern Ausdrücke aus der Lagersprache oder präzisieren den Bericht durch die Angabe von Namen und Daten. Zudem ist das Buch mit einigen Abbildungen illustriert, darunter Fotos von Rajchmans Familie, aber auch von Lageraufsehern. Ein Plan des Vernichtungslagers illustriert Rajchmans Beschreibungen zusätzlich.
Das Vorwort der Historikerin Annette Wieviorka führt den Leser mit wichtigen Hintergrundinformationen sehr gut in die Thematik ein. Allerdings weist es einige Fehler auf, wie z.B. die uneinheitliche Schreibweise polnischer Begriffe, auch wird Łódź in Ostpolen und nicht in Zentralpolen verortet (S. 18). Doch mindert das keinesfalls die Bedeutung und 'erschreckende Schönheit' (S. 16) dieses Buches. Zweifellos muss man sich Wieviorkas Meinung, Rajchmans Aufzeichnungen 'in den Kanon großer Texte der 'Literatur des Desasters'' (S. 27) aufzunehmen, anschließen.