Opfer als Akteure
Interventionen ehemaliger NS-Verfolgter in der Nachkriegszeit

Die Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes nach 1945 wurde vielfach erst durch das Engagement und durch Impulse der ehemals Verfolgten angegangen. In Polen etwa machten sich jüdische Überlebende daran, die Verfolgung und Ermordung der Juden zu dokumentieren und systematisch Zeugnisse zu sammeln. Gleiches geschah in vielen Ländern Nachkriegseuropas. Die ersten wissenschaftlichen oder auch populäreren Darstellungen zum Thema verfassten Verfolgte wie Artur Eisenbach in Polen oder Eugen Kogon in Deutschland. In den fünfziger Jahren waren es hierzulande NS-Verfolgte wie Fritz Bauer oder Hermann Langbein, die der Gerechtigkeit den Weg bereiten wollten und zahlreiche Gerichtsverfahren gegen die Täter ermöglichten. Auch die Entschädigung der Opfer wurde entscheidend durch Verfolgte selbst angestoßen.
Diese Akteursebene der Opfer nach 1945 war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Allzu oft wurden sie weiterhin als passive Opfer, bestenfalls als Zeugen wahrgenommen. Das jüngste Jahrbuch des Frankfurter Fritz Bauer Instituts widmet nun den 'Opfern als Akteure' eigens einen Band, in dem die vielfältige Bandbreite von 'Interventionen ehemaliger NS-Verfolgter in der Nachkriegszeit' in Europa ausgeleuchtet wird. Vielfach sind die Beiträge die Frucht gerade abgeschlossener oder noch laufender Forschungen der Autoren, so dass in nächster Zeit mit einigen interessanten Monographien zu diesem Themenbereich zu rechnen ist.
Das Spektrum der Beiträge reicht von den unmittelbaren Nachkriegsjahren bis an die Gegenwart heran und behandelt Themenkomplexe wie Entschädigung und Wiedergutmachung, Forschung, Publikationen, Opferverbände und ihre Politik sowie die Ahndung der Verbrechen. Zwar liegt das Schwergewicht auf den drei Nachfolgestaaten des NS-Regimes, der Bundesrepublik, der DDR und Österreich, aber auch Länder wie Frankreich, die Tschechoslowakei und Polen nehmen die Verfasser in den Blick.
Der Leser erhält mit diesem Band des Jahrbuchs des Fritz Bauer Instituts einen vielfältigen und anregenden Einblick in lange vernachlässigte Themenfelder. Die Aufsätze bewegen sich überwiegend auf hohem Niveau, sind aus den Quellen heraus geschrieben und machen 'Appetit' auf die ' hoffentlich bald ' zu erwartenden monographischen Arbeiten.