Fritz Bauer, 1903-1968
Eine Biographie

Vierzig Jahre lang gab es keine Biographie über den engagierten Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der eine zentrale Rolle in der Ahndung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik gespielt hat. Das Verdienst, diese beschämende Leerstelle endlich gefüllt zu haben, gebührt Irmtrud Wojak, langjährige Mitarbeiterin am Frankfurter Fritz-Bauer-Institut, dann Leiterin des Bereichs Historische Forschung beim unlängst auch für die Forschung geöffneten Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen und nun Gründungsdirektorin des Münchner NS-Dokumentationszentrums.
Anders als vielleicht zu erwarten gewesen wäre, hat Fritz Bauer keinen umfangreichen geschlossenen Nachlass hinterlassen, aus dem die Biographin aus dem Vollen hätte schöpfen können. Irmtrud Wojak ist es dennoch gelungen, in mühevoller Kleinarbeit und durch Recherchen in zahlreichen Archiven genügend Material zusammenzutragen, um eine überaus lesenswerte und eindringliche Studie über eine wichtige Persönlichkeit der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre schreiben zu können.
Bauer, 1903 in Stuttgart geboren, gehörte schon in der Weimarer Republik zu den engagierten Demokraten, die sich aktiv gegen Anfeindungen und umstürzlerische Aktivitäten der extremen Rechten zur Wehr setzten. In den zwanziger Jahren trat er in die SPD ein, später auch in das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, wo er an der Seite Kurt Schumachers und anderer offensiv für die Demokratie kämpfte. Nach einem erfolgreichen Jurastudium begann er trotz aller Vorbehalte, die einem linken Juden in der konservativen Justiz entgegenschlugen, eine verheißungsvolle Karriere als Deutschlands jüngster Amtsrichter. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten, gegen die er und viele andere vergeblich angekämpft hatten, war ein tiefer Einschnitt in seinem Leben. Bauer wurde für ein dreiviertel Jahr in ein Konzentrationslager gesperrt, verlor seine Stelle und musste die antijüdischen Drangsalierungen und Diskriminierungen erleiden. Ende 1935, inzwischen waren die Nürnberger Rassegesetze erlassen worden, floh er nach Dänemark. 1943, als auch die bisher verschonten dänischen Juden ermordet werden sollten, gelang ihm wie den meisten anderen auch dank einer gut organisierten Rettungsaktion die Flucht nach Schweden.
Erst 1949 konnte Bauer nach Deutschland zurückkehren. Er wurde Generalstaatsanwalt in Braunschweig, wo er sich nun seiner Lebensaufgabe widmen sollte, der er bereits im Exil ein Buch gewidmet hatte: der Verfolgung der zahlreichen NS-Täter, von denen allzu viele bereits wieder fest im Sattel saßen, als Bauer seine Arbeit aufnahm. Wenige Jahre später kam Bauer als Generalstaatsanwalt nach Frankfurt, wo er rastlos und ohne Rücksicht auf sich selbst die Gesellschaft mit juristischen Mitteln umfassend über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen aufklären wollte.
Zahlreiche Verfahren zog er an sich, fasste sie zu umfassenden Komplexen zusammen, ließ umfangreiche, zum Teil bis heute gültige historische Gutachten erstellen und vortragen und suchte nicht zuletzt auch den Kontakt zu Schriftstellern, die er ermunterte, Prozesse zu beobachten. So machte er den ersten Auschwitz-Prozess möglich, verfolgte den gesamten Bereich der 'Euthanasie'-Verbrechen, ermittelte gegen Mitglieder der berüchtigten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und viele andere mehr. Bauer isolierte sich mit seinem Engagement in der personell noch stark mit den alten NS-Juristen durchsetzten Justiz und musste wieder endlose Schmähungen über sich ergehen lassen, ohne dass sein aufreibender Einsatz den von ihm erwünschten Erfolg gezeitigt hätte.
Irmtrud Wojak gelingt eine packende Erzählung über Fritz Bauer, über sein Leben und über sein Rechtsverständnis, mit dem er seiner Zeit immer ein Stück voraus war. Ihre Darstellung Bauers ist kunstvoll verwoben mit dem größeren historischen Kontext und damit auch ein gewichtiger Beitrag zur Geschichte der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger Jahren.