Geschichte des Nationalsozialismus

Einführungen in die verschiedensten Themen haben Konjunktur, so auch ' aus gutem Grund ' Einführungen in die Geschichte des Nationalsozialismus. Das hat seine besondere Berechtigung, brauchen Schüler, Studenten und auch Lehrer doch einen Überblick auf der Höhe der Forschung, ohne sich im Dickicht der Spezialtitel zu verlieren.
Michael Wildts 'Geschichte des Nationalsozialismus' wird dem Bedürfnis der Zielgruppe nach kompetenter Orientierung voll gerecht. Wildts Buch ist Teil der relativ neuen Reihe 'Grundkurs Neue Geschichte' aus dem Vandenhoek und Ruprecht Verlag. Ergänzt werden die knappen Einführungen durch Quellen, die im Internet nachzulesen sind (www.grundkurs-neue-geschichte.de). Darin jedoch liegt der große Schwachpunkt der Reihe, denn das Online-Angebot beschränkt sich im Falle des vorliegenden Buches auf eine PDF-Datei mit unkommentierten Quellen. Das verschlankt zwar das Buch, hängt in dieser Form aber in der Luft und nutzt die Chancen des Mediums nicht einmal annähernd.
Die eklatante Schwäche des online-Auftritts findet sich aber im Buch nicht wieder. Im Gegenteil: Wildt bietet eine sehr gut lesbare, dichte Darstellung der NS-Geschichte in drei großen Kapiteln über die 'Eroberung der Macht', über die 'Volksgemeinschaft' und den 'Krieg'. Seine Darstellung zeichnet sich durch klar fokussierte Fragestellungen und eine exzellente Verknüpfung der faktischen Ebene mit der Skizzierung von verschiedenen Interpretationen und wissenschaftlichen Kontroversen darüber. Auf diese Art bekommt der Leser beides: eine Einführung in die Geschichte des Nationalsozialismus und zugleich einen Einblick in dessen Erforschung und Streitfragen der Wissenschaft.
Rund ein Drittel des Buches widmet Wildt dem Weg der Nationalsozialisten an die Macht. Wildt gelingt es hervorragend, die zeitgenössische Perspektive im Blick zu behalten und den Prozess nicht ex post teleologisch darzustellen, sondern als zunächst durchaus offene Entwicklung zu erzählen. Dies gilt gleichermaßen für die anderen Teile seiner Darstellung.
Den interpretatorisch roten Faden bilden die Begriffe 'Volksgemeinschaft' und 'Gewalt'. Der Nationalsozialismus, so Wildt, wurde geboren aus dem Geist und der Gewalt des Ersten Weltkriegs, der Geburtsstunde der Volksgemeinschaftsideologie. Integratives Element hiervon war für die Nationalsozialisten von Beginn an der gewaltaufgeladene 'Antisemitismus der Tat'. Dieser war von Anfang bis Ende des Nationalsozialismus zentraler Bestandteil von Ideologie und Praxis und diente als wichtiges Instrument zur Herstellung der Volksgemeinschaft durch Exklusion.
Sicher ließen sich etliche Bereiche wie Schule, Kultur etc. aufzählen, die im Buch unbeachtet bleiben. Wildt erhebt aber nicht den Anspruch, eine Gesamtdarstellung des Nationalsozialismus und seiner Herrschaft vorzulegen. Vielmehr möchte er eine klar konturierte Interpretation des Nationalsozialismus liefern, deren Kern die 'Volksgemeinschaft' ist. Das ist ihm überzeugend gelungen, wovon sich hoffentlich viele Leser ' vor allem in Schulen und an Universitäten ' selbst ein Bild machen mögen.