Umerziehung im Lager
Internierung und Bestrafung von Nationalsozialisten in der britischen Besatzungszone Deutschlands

Es geschieht nicht häufig, dass eine Dissertation zwei Auflagen erlebt ' überaus selten jedoch ist eine dritte Auflage. Heiner Wembers wichtige Monographie über die britische Internierungspraxis ist so ein seltener Fall. Fünfzehn Jahre nach den beiden ersten Auflagen ist sie nun wieder lieferbar. Erstaunlich ist allerdings, dass sie trotzdem keine breite Rezeption erfahren hat. Noch verblüffender ist jedoch ' um den größten Kritikpunkt vorwegzunehmen ', dass es weder Autor noch Verlag für nötig befunden haben, nach mittlerweile 15 Jahren Überarbeitungen oder wenigstens eine Aktualisierung der Bibliographie vorzunehmen. So begrüßenswert die Neuauflage ist, so bedauerlich ist aber auch, dass sie lediglich den Forschungsstand von 1990 wiederspiegelt.
Wember hat als einer der ersten auf einer umfassenden empirischen Basis die Säuberungspolitik der britischen Besatzungsmacht in Deutschland untersucht. Im Wesentlichen fußte diese Politik auf drei Säulen: der Entnazifizierung, der Internierung und der Strafverfolgung. Zunächst entließen die Briten zahlreiche Funktionäre aus den Behörden und strukturierten diese um. Parallel dazu verhafteten sie die einstigen NS-Eliten und sperrten sie in Internierungslager. Von 1945 bis 1949 waren davon etwas mehr als 90.000 Personen betroffen. Mit diesem Schritt sollten die Nationalsozialisten als potentielles Sicherheitsrisiko neutralisiert werden. Schließlich galt es, die 'wirklichen' Kriegsverbrecher aus der Masse der Internierten herauszutrennen und individuell abzustrafen. Diejenigen von ihnen, die ihre Verbrechen im Ausland begangen hatten, wurden an die entsprechenden Staaten ausgeliefert. Alle übrigen sollten durch Gerichte innerhalb der Besatzungszone verurteilt werden.
Wember beschränkt sich nicht auf die Darstellung dieser drei Felder britischer Säuberungspolitik. Er liefert einen quellengesättigten Abriss über die Internierungslager und ' darin liegt die größte Stärke des Buches ' lenkt den Blick in die Lager und auf die Internierten selbst. Unter welchen Verhältnissen lebten sie und vor allem wie wirkten diese auf die NS-Funktionäre? Dabei zeigt sich, dass die Phase der Internierung entscheidende Bedeutung für den Übergang zur Demokratie hatte. Die totale soziale Deklassierung führte bei vielen zu einer erhöhten Anpassungsbereitschaft an die neuen Verhältnisse. Nach dem unwiederbringlichen Zusammenbruch des NS-Regimes wurde ihnen nachdrücklich vor Augen geführt, dass ein Festhalten an der Ideologie ' zumindest nach außen ' ein sinnloses Unterfangen gewesen wäre.
Trotz der eingangs geäußerten Kritik ist Wembers Monographie auch heute noch eine lohnenswerte, argumentativ überzeugende und durch zahlreiche Einzelbeispiele plastische Analyse britischer Besatzungspolitik in Deutschland.