Herodes der Große

Das Buch ist keine leichte Kost. Das kann es vom Thema her auch gar nicht sein. Der Aufstieg des Vaters von Herodes unter den Hasmonäern, die Gestalt des Herodes selbst und seine wechselvolle Geschichte, die relativ lange Regierungszeit und nicht zu vergessen das Problem der Quellen lassen eine einfache Kurzinformation auf wenigen Seiten schlichtweg gar nicht zu.
Die Autorin versucht daher mit einer klaren Gliederung, die sich an den Lebens- und Regierungszeiten des Herodes orientiert (Kap II-VI) sowie mit Hilfe von Tabellen und genealogischen Übersichten, einer ausführlichen Zeittafel am Ende, einem umfangreichen Glossar, durch Personen- und Ortsregister und nicht zuletzt durch etliche Illustrationen dem Leser die Gestalt des Herodes nahe zu bringen. In den Kapiteln VII und VIII bietet das Werk eine Betrachtung des Herodes unter dem Stichwort 'Herodes ' Jude oder Hellenist?' sowie eine Würdigung 'Herodes ' 'der Große'?'.
Bereits im Vorwort macht sie deutlich, daß das Bild des Herodes vielfältig verzeichnet ist. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hat das Neue Testament, in welches dieser Mann als der Kindermörder von Bethlehem eingegangen ist. Den größten Anteil am Bild des Herodes haben jedoch die Ausführungen des jüdischen Historikers Flavius Josephus, der in seinen Werken ein disparates, jedoch vorwiegend negatives Bild zeichnet. Die Verfasserin versucht in kritischer Sichtung der Quellen ein von Vorurteilen bereinigtes Bild des Herodes zu rekonstruieren. Um ein Resümee schon einmal vorwegzunehmen: Obwohl man nicht allen Überlegungen zustimmen wird, die oft mit kriminalistischem Gespür gewonnen werden, gelingt dies der Verfasserin über weite Strecken.
Das Buch setzt ein mit den vermutlich bekanntesten Vorgängen und Gestalten, die mit dem Namen Herodes verbunden werden: Dem Herodes Antipas, dem Sohn und Nachfolger des Herodes des Großen und der beiden Frauen Herodias und Salome. Dieser Herodes Antipas ist zwar für den Tod Johannes des Täufers verantwortlich, wie auch Josephus zu berichten weiß, daß die Hinrichtung aber auf den Wunsch der Herodias bzw. den Tanz ihrer Tochter Salome zurückzuführen sei, wie das NT in Mk 6,17-29 par Mt 14,3-12 behauptet, ist in das Reich der Legende oder auch der Apologie zu verweisen. Hier trifft eher der Bericht des Josephus zu, wonach Herodes einen durch die Täuferbewegung verursachten Aufruhr befürchtete. Das von der Autorin vorgeschlagene Datum für den Tod des Täufers erst im Jahre 35 n. Chr. (S.24; 27) scheint sehr spät zu sein. Es deckt sich aber in so weit mit den Aussagen des Neuen Testament, als Johannes zu Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu zunächst noch am Leben ist, sich freilich bald darauf in Haft befindet (Mk 1,14; Mt 4,12; Lk 3,20) und hingerichtet wird. Nach dieser Datierung hätte er Jesus, dessen Tod in der Regel zwischen 27 und 33 angesetzt wird, allerdings sogar überlebt 'entgegen neutestamentlicher Aussagen. Dies ist aber keineswegs auszuschließen: Es muß nach Ansicht des Rez. damit gerechnet werden, daß das NT keine zuverlässige Einordnung des Todes des Johannes bietet, denn als Vorläufer Jesu muß er natürlich von der Bildfläche verschwunden sein, wenn der, den er als den Kommenden ankündigt, auftritt. Dies gilt in besonderer Weise für die Darstellung des Evangelisten Lukas.
Im folgenden sollen nur einige wenige Ergebnisse des Werkes diskutiert werden. So macht die Verfasserin z.B. deutlich, daß die Bestechung der römischen Feldherrn Silo und Machairas, die laut Josephus von dem Hasmonäer Antigonus Mattathias in der Auseinandersetzung mit Herodes getätigt wurde, eben nicht anhand der Münzprägung nachgewiesen werden kann, da sich Antigonus in der Münzedition nicht von seinen Vorgängern unterscheidet (S.81). Mit der zeitlichen Rekonstruktion des Partherkrieges des römischen Feldherrn Antonius und dem damit verbundenen Besuch der Kleopatra in Judäa kann die Verfasserin ihre Skepsis gegen die bei Josephus behauptete Koalition der Kleopatra und der Hasmonäerin Alexandra, der Schwiegermutter des Herodes (S. 102-105) gut begründen. Überzeugend ist auch der Nachweis, daß ein angebliches Mordkomplott gegen Kleopatra dazu gedient haben mag, die prorömische Haltung des Herodes nach dem Ende des Antonius gegenüber Octavian aufzuzeigen (105f). Und schließlich ist der Verfasserin auch zuzustimmen, daß eine moderne Diagnose zu Krankheit und
Tod des Herodes, ' dieser ist von Josephus offensichtlich als Tod eines Gottesfeindes stilisiert (vgl. Das Ende des Gottlosen: Variationen eines Themas, in: Klauck, Hans-Josef: Judas ' ein Jünger des Herrn. Freiburg u.a. 1987 (QD 111), 116-121) ' im Gegensatz zu verschiedenen Überlegungen in der Literatur nicht möglich ist (S.188f).
Rez. teilt allerdings nicht die Skepsis gegen die Darstellung des Josephus hinsichtlich der Ermordung des Aristobul (S. 98 ff), Hoherpriester und Bruder der Mariamne durch Herodes. Der bei Josephus genannte Zeitpunkt des Mordes im Anschluß an das Laubhüttenfest spricht eher für als gegen diese Version: Das Laubhüttenfest fällt in die Zeit September/Oktober und somit in die normalerweise im Bergland einsetzende Regenzeit, die von den Temperaturen her bereits sehr ungemütlich sein kann. Es ist keineswegs auszuschließen, daß der Königshof im Anschluß an das Fest in den so genannten Winterpalast in das noch wärmere Jericho übergesiedelt ist, wo Aristobul beim Schwimmen ertränkt worden sein soll.
Insgesamt ist der Verfasserin jedoch zuzustimmen, daß Josephus bewußt ein überwiegend einseitiges und negatives Bild des Herodes zeichnet, obwohl sich gelegentlich auch ausgesprochen positive Aussagen über Herodes finden, wie etwa jene, daß man im Überleben des Herodes beim Einsturz der Decke eines Raumes 'allgemein einen Beweis dafür [erblickte], daß Herodes ein Liebling Gottes sei, da er einer so großen und unversehenen Gefahr entgangen war' (AJ 14,15,11/454f) (S. 81) oder die Behauptung, Herodes hätte bei seinem Krieg um die Herrschaft ausgerechnet aus Galiläa beträchtlichen Zulauf gehabt (BJ 1,15,3/290f; vgl. S. 73). Auch wenn es sich laut Verfasserin bei der erstgenannten Stelle um die Wiedergabe einer Berichterstattung handelt, die 'ganz an den selbststilisierenden Intentionen des Königs Herodes orientiert gewesen ist' (S. 80), so ist deren Übernahme doch immerhin bemerkenswert. Josephus hätte ja auch darauf verzichten können. Es stellt sich für Rez. die Frage, ob Josephus damit den Eindruck erwecken wollte, ein objektiver Berichterstatter zu sein, so weit derartige Überlegungen in der antiken Geschichtsschreibung überhaupt schon eine Rolle spielen.
Die Furcht vor Anarchie als treibende Kraft im Handeln des Herodes, sowohl im Hinblick auf seine Bundesgenossenschaft mit den Römern, wie auch bezüglich seines grausam anmutenden Durchgreifens innerhalb seiner Familie bei jeglichem Verschwörungsverdacht (S. 241) ist durchaus vertretbar. Als nicht zu unterschätzender Grund seiner Handlungen dürfte allerdings auch seine mangelnde Anerkennung von Seiten des Volkes eine Rolle gespielt haben, und dies nicht wegen fehlender priesterlicher Abkunft, wie Verfasserin zu Recht bemerkt (S. 201), sondern wegen seiner Herkunft: Die Idumäer waren wenige Generation zuvor durch die Hasmonäer zwangsjudaisiert worden, und obwohl Idumäer nach Dtn 23,7 durchaus in der Kultgemeinde Israels akzepiert wurden (Den Edomiter sollst du nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder), blieb Herodes der Makel, nicht von einer jüdischen Mutter zu stammen: Kypros, seine Mutter, war eine Nabatäerin. Mag die halachische Regelung zur Zugehörigkeit zum Judentum über die Mutter (Jude ist, wer Sohn einer jüdischen Mutter ist) möglicherweise erst aus späterer Zeit stammen, konnte man sich doch gegebenenfalls auf die Bücher Esra und Nehemia berufen, um sich wegen der Mischehe gegen Herodes auszusprechen. Auch ohne Hasmonäerfreund zu sein konnte man daher an seiner Herrschaft Anstoß nehmen, da es Dtn 17,15 heißt: Du darfst nicht irgend einen Fremden, der nicht dein Bruder ist, über dich setzen. Herodes war zwar Idumäer und so gesehen akzeptabel, aber eben doch nur von einer Seite seiner Eltern. Die zu vermutende fehlende Akzeptanz bei vielen Frommen, nicht nur der Pharisäer, dürfte Herodes einerseits durch 'Leistungen' zu kompensieren, andererseits durch Druck zu erzwingen versucht haben.
Auf eine kleine Unstimmigkeit soll am Schluß hingewiesen werden: Verfasserin erklärt in ihrem Vorwort die verschiedenen Schreibweisen der Namen: Die Variante 'Antipater' werde 'für Herodes' Vater und ältesten Sohn' verwendet. Daran hält sich die Verfasserin auch im Text. Daher ist es verwirrend, daß der Vater des Herodes sowohl in der Übersicht S. 23 wie auch S. 39 in der Namensform 'Antipatros' zu finden ist.
Das Buch verdient es, unter Heranziehung der einschlägigen Texte des Josephus durchstudiert zu werden. Wer sich nur über einen bestimmten Zeitraum informieren möchte, wird mittels der beigegebenen Hilfen durchaus auch damit zurecht kommen. Wer schließlich nur eine Kurzinformation zur Person des Herodes benötigt, ist mit der 'Zeittafel' am Ende des Buches bestens bedient. Dem Werk ist jedenfalls eine weite Verbreitung zu wünschen.